Ein Freitagmorgen vor den Osterferien am Äußeren Ring in Marktheidenfeld: Der Berufsverkehr kommt gegen 6:30 Uhr richtig in Fahrt und viele Autofahrer schauen plötzlich staunend, woher um diese Uhrzeit so viele junge Menschen kommen. Sie folgen einem Holzkreuz, das gut sichtbar den Teilnehmern des ökumenischen Kreuzwegs der Jugend vorangeht. Eine Grünphase der Fußgängerampel reicht oft gar nicht aus, bis alle Mitwirkenden den Äußeren Ring sicher überquert haben.
Seit nunmehr 25 Jahren gibt es das Angebot des Ökumenischen Kreuzwegs der Jugend am letzten Schultag vor den Osterferien. Dieses Jubiläum ist Anlass, auf die Anfänge und die Entwicklung dieses weit über Marktheidenfeld nahezu einmaligen Projekts zu blicken.
Im Jahr 2000 waren es die Religionslehrer von vier Marktheidenfelder Schulen, die sich über den Religionsunterricht sowie eine bessere Kooperation von Schule und den örtlichen Kirchengemeinden Gedanken machten – von Anfang an in ökumenischer Verbundenheit.
Entstanden ist hierbei die Idee, mit den Schülern den Blick auf das Leiden und Sterben Jesu zu lenken und einen Kreuzweg zu gestalten.
Als Gründungsväter sind hier zu nennen: Karl Küfner und Michael Kroschewski (Balthasar-Neumann-Gymnasium), Kaplan Michael Sell (Förderschule St. Kilian), Erich Kohl und Bernhard Elsesser (Mittelschule) sowie Johannes Hennrich und Pastoralreferent Ulrich Geißler (Staatliche Realschule). Auch nach seiner Verabschiedung aus dem aktiven Dienst ist Ulrich Geißler bis heute ein treuer Begleiter des Jugendkreuzwegs, den er schon im Jahr 2000 als gelungenes Beispiel für den damals aufkommenden Begriff „Schulpastoral“ bezeichnete.
Eine Beziehung zwischen dem Leiden Jesu und der Lebensumwelt der Schüler mit Texten, Gebeten, Musik und anfangs auch Rollenspielen herzustellen, war und ist die Intention dieses Angebots, das weit über den Religionsunterricht hinausgeht. Schülerkommentare wie „Das ist ein toller Ort da oben an der Kapelle“ oder „Die Texte waren voll gut“ zeigten schon in den Anfangsjahren, dass diese moderne Form eines Kreuzwegs ein spirituelles Bedürfnis von Jugendlichen trifft.
„Um Jugendliche auf ihrer Suche nach Sinn und Antworten zu begleiten“ beschrieb Michael Sell umgekehrt die Motivation auf Seiten der Religionslehrer, an diesem Angebot mitzuarbeiten.
Wurden bis 2006 die Schüler in den letzten beiden Schulstunden für die Teilnahme am Jugendkreuzweg vom Unterricht befreit, erfolgte ab 2007 eine Verlegung des Beginns auf 6 Uhr am frühen Morgen. Damit wurde nochmals die Freiwilligkeit der Teilnahme unterstrichen und das Gehen des Wegs nun mit einem gemeinsamen Frühstück in der Schulmensa abgerundet. Damals waren Pastoralreferent Reinhold Grimm und Pfarrerin Eva Schürmann federführend. Die beachtliche Zahl von 250 teilnehmenden Schülern, die sich laut Pressebericht „trotz Regens“ im Jahr 2000 aufmachten, erreichte 2014 mit 175 Schülern aus Marktheidenfeld und 45 polnischen Austauschschülern neuerlich einen Höhepunkt. Melanie Marshaus schrieb dazu einen ausführlichen Pressebericht.
Einen bewussten Bezug zum Thema Leiden und Sterben nahm und nimmt der Jugendkreuzweg vor dem ehemaligen Krankenhaus und Kreisseniorenzentrum: Hier werden Krankheit und Tod ganz konkret erfahren.
Die Schulschließungen durch Corona im Jahr 2020 erforderten eine neue Art der Durchführung. In der Phase von Wechsel- und Distanzunterricht entstand im Jahr 2021 ein Video in der Kirche St. Josef, mit dem trotz aller Umstände das Angebot in reduzierter Form aufrechterhalten werden konnte. Obwohl die Corona-Maßnahmen weitestgehend aufgehoben waren, musste der Jugendkreuzweg 2022 wegen der Sturmwarnung vor Orkantief Nasim kurzfristig in die Kirche St. Josef verlegt werden. Eine besondere Erfahrung hierbei war, wie sich die zunächst dunkle Kirche allmählich mit anbrechendem Tageslicht erhellte.
Unter weniger widrigen Bedingungen gehört es für viele Teilnehmer auch zu einem prägenden Erlebnis, bei Tagesanbruch an der Friedhofshalle des neuen Friedhofs über das Leiden und Sterben nachzudenken.
Die Meditationstexte des Jugendkreuzwegs werden seit vielen Jahren in Kooperation der Arbeitsstelle für Jugendseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz und des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend mit der Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland herausgegeben.
Inhaltlich sind auch hier die veränderten Lebensumstände der Jugendlichen in den letzten 25 Jahren berücksichtigt, die heute von Internet und sozialen Medien geprägt sind.
Veranstalter des Ökumenischen Kreuzwegs der Jugend sind heute die Fachschaften Religion des Balthasar-Neumann-Gymnasiums und der Staatlichen Realschule, verantwortlich Holger Seidel und Steffen Baumann. Eine nach wie vor beachtliche Teilnehmerzahl an beiden Schulen zeigt, dass das Nachdenken über das Leiden und Sterben Jesu nichts an Aktualität verloren hat. Die Erfahrungen Jesu, verraten, ausgeliefert, verleumdet oder bloßgestellt worden zu sein, lassen sich häufig auch an die Lebenserfahrungen von Jugendlichen anknüpfen. Die Texte im Jahr 2025 stehen unter dem Motto „Auf deinem Weg“. Nach den Impulsen zum Nachdenken wird auch in diesem Jahr das gemeinsame Frühstück in der Schulmensa für die körperliche Stärkung sorgen. Dessen Durchführung ist dankenswerterweise durch die großherzige Unterstützung des Referates für Schulpastoral beim Bistum Würzburg und seit kurzem auch der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde Marktheidenfeld möglich.